Nach meinem längeren Urlaub hier nun (wenn auch mit Verspätung, so aber sicher nicht minder interessant) ein neuer Beitrag von Rolf Bökemeier für „Antikefan“.
Einer der Luftbildpiloten des Freundeskreises für Archäologie in Niedersachsen (FAN, www.fan-nds.de), Günter Lange, erklärte sich auf Bitten des Verfassers bereit, für das Gelände rechts der Emmer von Lügde eine Luftbildprospektion vorzunehmen. Dort vermutet Verf. aufgrund von D-SAT-Aufnahmen ein großes Römerlager (vgl. Beitrag „Sommerlager des Varus entdeckt?“ auf dieser homepage). Die Fotos des Bildfluges von Günter Lange vom 19. 5. 2005 wurden von Verf. ausgewertet. Folgende Beobachtungen und Bewertungen lassen sich möglicherweise anstellen:
1. Negative Bewuchsmerkmale über trockenem Boden aufgrund von darunter liegenden Fundament- oder Mauerresten ergeben helleren Bewuchs:
Als Vergleichsluftbild soll dabei ein Ausschnitt aus dem freigegebenen Foto „Negative Bewuchsmerkmale der als Fürstenberg bekannten römischen Legionsfestung“ des Informationsdienstes Wissenschaft (idw) dienen (Abb. 1). Ähnliche quadratische und Rechteckstrukturen wie im Getreide auf dem „Fürstenberg-Bild“ konnte Günter Lange in aufwachsendem Gras der Wiesen von Lügde auf zwei Grundstücken fotografieren (Abb. 2).
Um die helleren mutmaßlichen Gebäudestrukturen zu verdeutlichen, wurden die Fotos schwarz-weiß kopiert und auf einer Kopie rot nachgezogen (Abb. 3a/b). Die Strukturen scheinen ein großes Gebäude mit vielen Räumen anzuzeigen, das große Ähnlichkeit mit Praetorien bekannter Römerlager wie z. B. Oberaden aufzeigt (vgl. Johann-Sebastian Kühlborn, Germaniam pacavi, Münster 1995, S. 108/109). Auffällig ist es, dass die möglichen Praetoriumstrukturen von Lügde gegenüber auf der anderen Straßenseite (der „via principalis“ ?) des möglichen Lagerforums (principia ?) liegen, wie es auch der Fall im Zweilegionenlager Oberaden ist (S. 108 der vorgenannten Publikation).
2. Positive Bewuchsmerkmale über feuchteren, fruchtbareren Bodenbereichen, z. B. über Gräben ergeben dunklere Strukturen:
Hier gibt es nur Ansätze für ein vielversprechendes Beispiel, das aber unbedingt durch weitere Luftbildprospektionen aus geringerer Höhe bei direkter Ansteuerung verifiziert werden müsste. Es ist ein dunkelgrün doppelt/dreifach umrandetes Oval einer möglichen Arena mit größtem Durchmesser von über 100 m Länge (roter Pfeil, auf Abb. 4). Diese Struktur liegt innerhalb des südwestlichen Lagerbereichs (Abb. 5). Auf dem Übersichtsfoto (Abb. 4) sind gleichzeitig die Plazierungen des möglichen Lagerforums (grüner Pfeil) und des Praetoriums (blaue Pfeile) im Zentrum des vermuteten Lagers erkennbar.
3. Reste baulicher Anlagen in Form von Mauern und Fundamenten, die teilweise aus dem Boden hervorragen:
Das zweite Übersichtsfoto (Abb. 6) zeigt zusätzlich zu der angenommenen Lagermitte den nord-östlichen Teil des mutmaßlichen Großlagers (grüner Pfeil weist wiederum auf das mögliche Forum hin, zwischen den blauen Pfeilen erneut das vermutete Praetorium). Die Pappelreihe links im Foto steht vermutlich auf der ehemaligen nördlichen Lagerbegrenzung. An ihr endet das 760 m lang genau von Süd nach Nord verlaufende gerade Straßenstück, möglicherweise die bereits früher vermutete ehemalige via principalis.
Wenn diese Hypothesen richtig wären, dann hätte man dort die porta dextra des vermuteten Lagers zu suchen. Vor den Toren römischer Standlager befanden sich häufig Badegebäude und oft weitere Zusatzgebäude (Magazin, Beobachtungsturm, Vicusgebäude). Die Luftfotos von Günter Lange zeigen Mauerreste von zwei möglichen derartigen Gebäuden. Auf der Abbildung 5 weisen die zwei schwarze Pfeile auf diese baulichen Reste hin.
Sind sie römischen Ursprungs? Oder sind es nur Reste neuzeitlicher Ställe? Sie sollten zügig untersucht und ergraben werden.
Dieser ersten Luftbildprospektion werden weitere zu anderen Zeiten und anderen Bodenbedingungen folgen müssen. Auch müssen dringend Magnetogramme erstellt werden. Wir versuchen, Sponsoren zu finden, die derartige magnetometrische Untersuchungen ermöglichen würden. Für die Bereitschaft von Sponsoren, sich finanziell zu engagieren, muss die Überzeugung wachsen, dass die topografische Lage des Geländes von Lügde in der Emmerniederung für eine großes Römerlager vor 2000 Jahren bestens geeignet war. In ersten „Wortmeldungen“ wird von „Heimatforschern“ auf die großen Überschwemmungen des Emmertales hingewiesen, die „schätzungsweise die Flächen des vermuteten Lagers mit ca. 1,5 m hohen Bodenablagerungen seit der Römerzeit bedeckt hätten. Das nasse Gelände wäre deshalb kaum für ein derartig großes Lager geeignet gewesen („nasse Füße für die Römer“).“ Diese Argumentation ist falsch und lässt sich leicht widerlegen:
a) Nach dem überzeugenden Beitrag von Hilmar Schmundt im Spiegel Nr. 21 vom 23. Mai 05 „Puzzle aus dem Eis“ haben Klimaforscher aus dem Institut für Geologie der Universität Bern mit Hilfe von Baumstämmen aus den schmelzenden Gletschern in den Alpen erstaunliche dendrochronologische Ergebnisse erhalten, die auf insgesamt 10 Warmphasen seit 8000 v. Chr. hinweisen. Eine davon führte nach Auffassung der Schweizer Klimaforscher zu grünen Alpen ohne Gletscher während der Römerzeit. Ohne umfassende Schneefälle und Frühjahrsregenfälle gibt es keine Hochwässer und erhöhte Pegelstände. Für die Umgebung von Lügde im Weserbergland kommt hinzu, dass zur Römerzeit die Landschaft ungleich stärker bewaldet war. Die großen Siedlungsepochen mit Abholzungen großer Waldgebiete fanden in sächsischer Zeit und im Spätmittelalter statt. In dieser Zeit verlor der Boden durch den Waldverlust an Speicherkapazität für die Niederschläge. Zusätzlich gab es ab 1560 bis 1860 die sogenannte „Kleine Eiszeit“ mit kühlen regenreichen Sommern und schneereichen kalten Wintern. Jetzt standen der Abnahme der Wasserspeicherung im Wald zusätzlich stark zunehmende Niederschläge gegenüber. Sie führten seit dem 16. bis zum 19. Jahrhundert zu häufigen Überschwemmungen. In der Gegenwart hat diese Tendenz zur Hochwasserbildung durch starke Bebauung und Versiegelung des Bodens erheblich weiter zugenommen.
Dagegen spricht alles dafür, dass es zur Römerzeit in Germanien kaum Überschwemmungen gegeben hat. Damit war das wahrscheinlich waldfreie Gelände in den Emmerauen vor 2000 Jahren ein ideales Gelände für ein römische Mehrlegionenlager.
Das Argument „Überlagerung der Niederterrassen von Flüssen mit meterdicken Hochwasserschlämmen aus „geschichtlicher Zeit“, also auch aus der Römerzeit, konnte der Verfasser selbst bei seiner Grabung auf der Niederterrasse in Echtringhausen bei Rinteln im Jahre 1998 widerlegen. In seiner Publikation „Die Varusschlacht....“, Tübingen 2000, S. 286/287, heißt es bei der Bewertung der Grabungsergebnisse:
„“Sehr positiv sind die Fundergebnisse hinsichtlich der Schlacken- und Keramikreste zu beurteilen..... Da diese Funde in situ ...in etwa 40 cm Tiefe gemacht wurden, ist der Schluß zwingend, daß diese Bodenschichten in der Zeit der Keramikhersteller die Bodenoberfläche darstellten. Das beweisen zusätzlich die dort gefundenen Feuersteinabschläge, die typologisch ebenfalls neolithisch bis eisenzeitlich einzustufen sind.“
Abschließend heißt es dazu auf S. 289:
„Die Auelehmauftragungen in geschichtlicher Zeit im Wesertal scheinen geringer zu sein, als häufig angenommen. Die 2 - 3m dicken Lehmschichten über den Sand- und Kiesschichten sind jedenfalls im wesentlichen in vorgeschichtlicher Zeit aufgetragen worden. Möglicherweise fand der Auftrag durch Schmelzwässer oder durch den Wind (Lößlehm) ausgangs der Weichseleiszeit statt.“
Ähnliche Verhältnisse wie an der Weser sind vermutlich auch für die nahe gelegene Emmerniederung für die geschichtliche Zeit anzunehmen. Damit würden die möglichen römischen Fundamentreste ebenfalls nicht tiefer als 40 cm liegen. Anders wären auch nicht die Funde augusteischer Münzen im vermutlichen Lagergelände erklärbar.
PS. Für die Freunde technisch guter Fotoausdrucke sei darauf verwiesen, dass in den Abbildungen 7 und 8 die beiden Übersichtsfotos (Abb. 4 und 6) noch einmal ohne zeichnerische Einträge direkt vom Negativ über eine CD-ROM-Scheibe (Konica Photo Express, Wolfgang Ewering, Stadthagen) eingestellt worden sind. Für eine Weiterverwendung dieser Fotos ist die Genehmigung des Luftbildpiloten Günter Lange erforderlich (Tel. 0511-401998).
Abb. 1
Negative Bewuchsmerkmale der als Fürstenberg bekannten römischen Legionsfestung, zur Veröffentlichung genehmigt: Informationsdienst Wissenschaft (idw). Das Foto zeigt an den Orten der roten Pfeile mit helleren Strukturen in dem dunkelgrünen aufwachsendem Getreide die Fundamentreste der Umrandungen ehemaliger römischer Lagergebäude an. Die Fundamentreste führen zu geringerem Wachstum des darüber stehenden Getreides, das dadurch dort hellere Färbung annimmt.
Abb. 2
Ausschnittvergrößerung aus dem Luftbild der Abb. 6 mit negativen (hellen) Bewuchsmerkmalen über den möglichen Fundamentresten eines Praetoriums im vermuteten Lagergelände von Lügde (ein Pfeil). Die beiden parallelen Pfeile weisen auf eher positive (dunklere) Bewuchsmerkmale über mutmaßlichen Fundamentresten der äußeren Gebäudereihe des vermuteten Lagerforums hin. Derartige dunklere Strukturen könnten entstehen durch Humusbildung aus vermoderten Holzresten in den Fundamentgräbchen.
Luftbild: Günter Lange, Hannover
Fotografische Bearbeitung: Wolfgang Ewering
Abb. 3a/b
Schwarzweiß-Fotokopien aus Ausschnitten des Übersichtsfotos der Abb. 4 mit etwa dem gleichen Bereich wie in Abb. 2. In Abb. 3a sind die durchweg helleren Strukturen rot nachgezogen worden. Dadurch wird links die typische Struktur eines Praetoriumgebäudes (Wohngebäude eines Legionsbefehlshabers) sichtbar, wie es in ähnlicher Form für das Zweilegionenlager Oberaden durch J.-S. Kühlborn (Germaniam Pacavi, Münster 1995, S. 108/109) abgebildet wird. Rechts oben in Abb. 3a sind die Bewuchsmerkmale für die Strukturen des möglichen Lagerforums nachgezogen worden. Besonders die beiden parallelen Raumreihen der rechten Seite (grüner Pfeil), die den offenen Innenhof (das Forum) umgrenzen, sind auf dem Foto 7 hervorragend zu erkennen. Das mögliche Forum von Lügde scheint beinahe bauidentisch mit dem Forum des Lagers castra Vetera I zu sein, wie es in H. G. Horn, Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Theiss, Stuttgart 1987, S. 622, abgebildet ist.
In Abb. 3b liegt in etwa der gleiche Ausschnitt mit den negativen Bewuchsmerkmalen ohne rote Nachziehung der Strukturen vor.
Abb. 4
Übersichtsfoto des mutmaßlichen Lagerinneren und des südlichen Lagergeländes von Lügde. Blaue Pfeile grenzen die negativen Bewuchsmerkmale für das vermutete Praetorium ein. Der grüne Pfeil zeigt auf den Ort des mutmaßlichen Forums, während der rote Pfeil auf die mögliche Arena hinweist. Die hellen Flächen sind abgeerntete Wiesen. Die grünen Flächen enthalten noch hoch aufstehendes Gras oder werden gerade durch Kühe beweidet.
Luftbild: Günter Lange, Hannover
Abb. 5
Schwarz-weiße Kopie eines Ausschnitts aus Foto der Abb. 4 mit nachgezogenen positiven (dunkleren) Bewuchsmerkmalen für die Dreifachumrandung einer vermuteten Arena. Größe und Baumerkmale ähneln der Arena-Darstellung von Xanten in H. G. Horn, Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987, S. 641.
Abb. 6
Übersichtsfoto vom mittleren und nördlichen Bereich des vermuteten Mehrlegionenlagers in Lügde. Blaue Pfeile = Ort des möglichen Praetoriums, grüner Pfeil = Ort des wahrscheinlichen Forums, schwarze Pfeile weisen auf die Orte von Gebäuderesten über der Erde hin. Die Baumreihe links im Foto könnte als östliche Lagerbegrenzung gesehen werden.
Luftbild: Günter Lange, Hannover
Abb. 7
Übersichtsfoto des möglichen Lagergeländes Lügde direkt vom Negativ - Mitte und westlicher Teil
Luftbild: Günter Lange
Abb. 8
Übersichtsfoto des möglichen Lagergeländes Lügde direkt vom Negativ - Mitte und östlicher Teil
Luftbild: Günter Lange