Detmold - Germanien, 9 nach Christus. Seit Jahrzehnten versuchen die Römer, das ganze Land rechts des Rheins zu erobern. Das ganze Land? Nein, denn die germanischen Stämme um Arminius schlagen die Römer unter dem Feldherrn Varus auf dem Marsch ins Winterquartier vernichtend.
Mit der vom römischen Geschichtsschreiber Tacitus beschriebenen dreitägigen Schlacht nimmt ein deutscher Mythos um den Superhelden Hermann und nationale Identität seinen Anfang. «Es wird immer von Weltgeschichte geredet», sagt der Leiter des Römermuseums Haltern, Rudolf Aßkamp, und meint relativierend: «Die Schlacht hat mindestens europäische Bedeutung.» Der Rhein wurde wieder zur Grenze, auch der Sprache, und dunkle Jahrhunderte ohne schriftliche Quellen brachen für die rechtsrheinischen Gebiete an.
Diese Schlacht jährt sich 2009 zum 2000. Mal. Grund genug für ein wohl einzigartiges Ausstellungsprojekt dreier Museen in Westfalen und Niedersachsen, mit denen sich die Geschichte um Arminius und den unglücklichen Publius Quinctilius Varus verbindet: das Westfälische Römermuseum in Haltern, wo Statthalter Varus das Verwaltungs- und Militärzentrum der neuen rechtsrheinischen Provinz plante, das Museum «Varusschlacht im Osnabrücker Land» im niedersächsischen Kalkriese bei Osnabrück, wo Wissenschaftler seit 15 Jahren ein römisches Schlachtfeld ausgraben, und das Lippische Landesmuseum Detmold, wo 1875 das imposante Hermannsdenkmal errichtet wurde.
Mit der Ausstellung «2000 Jahre Varusschlacht», die voraussichtlich von Mai bis Oktober 2009 «Exponate von Weltgeltung» zeigen will, verbinden die Kooperationspartner enorme Hoffnungen. Denn drei Mal gewann die Region weltgeschichtliche Bedeutung, meint Wolfgang Schäfer, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe: 1648 mit dem Westfälischen Frieden, der den 30-jährigen Krieg beendete, 799 mit dem Treffen Karls des Großen mit Papst Leo in Paderborn und eben im Jahr 9 nach Christus. Entsprechend groß sind die Erwartungen: Mit insgesamt mindestens 300 000 Besuchern werde gerechnet, kündigt der Geschäftsführer des Museumsparks Kalkriese, Joseph Rottmann, an. Die Kosten könnten sich auf vier Millionen Euro je Standort belaufen.
Mit dem römischen Imperium auf dem Höhepunkt seiner Macht befasst sich das Römermuseum. Außerdem zeichne das Museum den Lebensweg von Varus und seiner Familie nach, «die sich im Schatten des Augustus hocharbeitete», sagte Aßkamp. «Berühmt und berüchtigt war seine Härte. Das war nicht irgendein Dummkopf, den man hierher geschickt hat.» So war Varus auch derjenige, der im Palästina der Zeit von Christi Geburt für Ordnung sorgte.
Das Museum Kalkriese befasst sich mit dem Ablauf der Schlacht und dem Konflikt aus germanischer Sicht. «Das Bild der Germanen ist vielfach geprägt vom mit Fell bekleideten Wilden», erklärt Heidrun Derks, Leiterin des Museumsparks. «Denen wäre es weder gelungen, die Varusschlacht zu gewinnen, noch, den Limes zu überwinden.» Das Landesmuseum Detmold zeige die Wirkungsgeschichte der Schlacht, sagt die stellvertretende Leiterin Elke Treude. «Die Schlacht hat von der Renaissance an immer wieder zu Mythen und Legendenbildung geführt. Sie wurde immer wieder geschlagen, etwa gegen Frankreich oder gegen die Sozialdemokratie.» Denn seit dem 19. Jahrhundert dienten die Schlacht und Arminius als historisches Leitbild der Deutschen.
Dabei liegt der Ort der sagenumwobenen «Schlacht im Teutoburger Wald» im Dunkel der Vergangenheit und der Legenden. «Heute ist mindestens ein Teil davon gefunden», betont Rottmann mit Blick auf Kalkriese. «Es ist ein Indizienprozess», sagt Derks. Angesichts von mehr als 700 widersprüchlichen Theorien meint sie, «es ist eine Schlacht, die auf dem Feld der Befindlichkeiten geschlagen wird». In Kalkriese seien 6000 Fundstücke ausgegraben worden, darunter Waffen und Knochen mit Spuren von Schwerthieben. Jedoch: «Gelöste Rätsel sind total langweilig.»
dpa - Meldung vom 09.02.2006 15:09 Uhr
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